Invaliditätspension/Rehabilitationsgeld: Entziehung

Ausgangslage:

Klient:in wurde eine Invaliditätspension (mit Berufsschutz) unbefristet zuerkannt. Im Bescheid ist jedoch ein Termin für eine ärztliche Nachuntersuchung vorgemerkt. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass nach der Nachuntersuchung über den Fortbestand des Anspruchs auf Invaliditätspension entschieden wird.

Anliegen:

Warum sieht die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) bei einer unbefristeten Invaliditätspension eine Nachuntersuchung vor? Kann die Invaliditätspension entzogen werden? 

Informationsweitergabe:

Invaliditätspension - Entziehung:

Wird die Invaliditätspension unbefristet gewährt, darf die PVA von Amts wegen Nachuntersuchungen anordnen.

Gemäß § 99 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ist eine laufende Leistung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen des Anspruches nicht mehr vorhanden sind und der Anspruch nicht bereits ohne weiteres Verfahren erlischt.

Ist eine Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes der betreffenden Person gegeben, ist die Pension mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, zu entziehen (§ 99 Abs 3 Z 1 ASVG).

Dazu der Oberste Gerichtshof (OGH) - vgl. OGH vom 20.11.1990, 10ObS363/90; OGH vom 20.10.1987, 10ObS89/87:

  • Die Entziehung kommt nur in Betracht, wenn sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Leistung wesentlich geändert haben.
  • Eine Änderung der Verhältnisse kann im Fall einer I-/BU-Pension in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Pensionsberechtigten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an die Leiden bestehen.
  • Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist dann anzunehmen, wenn die Arbeitsfähigkeit des Pensionsbeziehers so weit wiederhergestellt ist, dass er nicht mehr als berufsunfähig oder invalid gilt. Dabei ist zu prüfen, ob sich der körperliche oder geistige Zustand des Pensionsberechtigten gegenüber demjenigen wesentlich gebessert hat, der zur Zeit der Gewährung der Leistung bestand. Es genügt aber nicht, wenn sich in dem Verfahren über die Entziehung der Pension herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Pension nicht erfüllt sind, weil der Pensionsberechtigte noch die hiefür maßgebenden Berufstätigkeiten ausüben kann. Aus dem Gutachten muss sich im Einzelnen ergeben, worin die Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands besteht oder welche Beschränkungen des Leistungskalküls, das bei Gewährung der Pension bestand, infolge der Gewöhnung und Anpassung an die vorhandenen Leiden weggefallen sind.
  • Nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug, wenn nachträglich festgestellt wird, dass Leistungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben.

Die Zeiten eines I-/BU-Pensionsbezuges gelten als neutrale Zeiten und verlängern die Zeiträume für die Wartezeit (siehe dazu § 236 Abs 3 iVm § 234 Abs 1 Z 2 lit a ASVG). Die Frage des Berufsschutzes ist Entziehung gemäß § 99 ASVG bzw. beim Antrag auf Weitergewährung der nach § 99 ASVG entzogenen I-/BU-Pension nach jenem Stichtag zu beurteilen, der der (erstmaligen) Gewährung der I-/BU-Pension zugrunde lag. Solange die betreffende Person während des I-/BU-Pensionsbezuges keinen Beruf ausübte, ist daher wieder vom ursprüngliche gegebenen Berufsschutz auszugehen. Vgl. dazu OGH vom 25.2.1992, 10ObS30/92.

ACHTUNG! Der ursprünglich gegebene Berufsschutz kann entfallen, wenn wieder ein Beruf (Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze) ausgeübt wird und man somit während des I-/BU-Pensionsbezuges Beitragszeiten aufgrund der beruflichen Erwerbstätigkeit erwirbt. Zumeist wird die neue berufliche Tätigkeit bei der Prüfung der "Invaldität/Berufsunfähigkeit" herangezogen, sobald länger als 1 Jahr im neuen Beruf gearbeitet wird.

TIPP! Wird wieder eine regelmäßige Berufstätigkeit angestrebt, empfiehlt sich folgende Vorgehenweise: Mit der PVA einen Arbeitsversuch vereinbaren. Nach einem erfolgreichen Arbeitsversuch kommt es zu einer ärztlichen Begutachtung. Ist eine Wiederherstellung/Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands gegeben, kommt es zum Entzug der I-/BU-Pension.

Kriterien für die Anordnung von Nachuntersuchungen (bei Berufsunfähigkeits-/Invaliditätspension und Pflegegeld):

Siehe Entscheidung des OGH vom 22.6.2021, 10 ObS 21/21t; ZAS 2021/06, S 292

Eine vom Versicherungsträger (idF PVA) angeordnete ärztliche Untersuchung muss iSd Art 8 EMRK verhältnismäßig sein. Das bedeutet: die Untersuchung muss geeignet, erforderlich und adäquat sein. Gibt es mehrere geeignete Maßnahmen zur Feststellung des Gesundheitszustandes muss die gelindestens Methode gewählt werden. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Maßnahme für den Versicherten sind zu berücksichtigen: objektive Zumutbarkeitskriterien (= mit der Maßnahme verbundene Gefahren, Erfolgsaussichten, Folgen und Schmerzen der Beeinträchtigung) und subjektive Zumutbarkeitskriterien (= körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse). 

Achtung! Wird einer Ladung zur Nachuntersuchung nicht Folge geleistet, kann die PVA die Leistunge (idF Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeld) mit Bescheid entziehen (wegen: Verletzung der Mitwirkungspflicht).

Rehabilitationsgeld - Entziehung:

Wenn der Anspruch auf Rehabilitationsgeld (wird bei festgestellter vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit und Zuerkennung von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen gewährt) endet, erfolgterfolgt die Enziehung dieser Leistung mit Bescheid durch die PVA - in folgenden Fällen: 

  • Die betreffende Person ist nicht mehr invalid/berufsunfähig;
  • Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation sind zumutbar und zweckmäßig;
  • Dauernde Invalidität/Berufsunfähigkeit ist eingetreten;
  • Der/Die Rehabilitationsgeldbezieher:in weigert sich, an zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken.

Stand: 4.12.2024